Pfarrgemeinde St. Ludger Selm

ermutigend – Impuls 20.07.2020

Als Eva den Apfel aß …

Papst Johannes XXIII. soll einmal als päpstlicher Nuntius (Botschafter) in Paris bei einem Staatsbankett einer Dame,
deren Kleid mehr als tief ausgeschnitten war, einen Apfel gereicht haben mit den Worten: „Nehmen Sie ruhig, gnädige Frau, denn in der Bibel steht: Als Eva den Apfel aß, erkannte sie, dass sie nackt war.“

Doch einmal abgesehen von dieser
lustigen Anekdote hat gerade im Laufe der Kirchengeschichte diese Erzählung den Frauen sehr geschadet in der Kirche aber auch lange in unserer Gesellschaft, denn damit war das klassische Klischeebild geboren von der Frau, die sich von der Schlange (dem
Bösen) hat verführen lassen und dann den „armen unschuldigen Mann“ selbst verführt hat. Dabei hat die biblische Geschichte sehr wenig mit diesem Klischeebild zu tun. Viel schöner interpretiert ist sie in der obigen Skulptur, die im Botanischen Garten von Schloss Trauttmansdorff bei Meran steht: Hier sitzt Eva auf den Schultern Adams um an die Frucht heran zu kommen, die sie
(übrigens als echten Apfel) in der Hand hält. Dabei strahlt ihr Gesicht vor Freude, nicht weil sie plötzlich
ihre Vorliebe für Klamotten entdeckt (wieder so ein Klischeebild!), sondern weil sie spürt, dass in der Erkenntnis von Gut und Böse unsere Würde und Größe steckt. Dass darin auch unsere Verantwortung und Aufgabe enthalten ist, das haben beide erst später begriffen – und manche Menschen bis heute nicht. Doch Gott will uns nicht als Schoßhündchen, die brav apportieren,
sondern er will uns als selbstständige erwachsene Personen, die seine geschenkte Liebe annehmen und erwidern können und mit ihm Heilsgeschichte schreiben können. Doch dazu gehört auch die Freiheit, das alles abzulehnen. Das ist die ganze Weltgeschichte hindurch geschehen – und dennoch hat Gott es geschafft, daraus Heilsgeschichte zu machen.