Pfarrgemeinde St. Ludger Selm

ermutigend – Impuls 09.02.2022

Das „Gott–Partikel“

Seit Urzeiten suchen die Menschen das „Gott – Partikel“, den „Stein der Weisen“, den „Gral“, der ihre Sterblichkeit und Endlichkeit aufhebt und sie unsterblich macht, ihnen ewiges Leben schenkt. Natürlich ist ihnen dies bis heute nicht gelungen. Außerdem weiß ich nicht einmal, ob die Verlängerung dieses Lebens ins Unendliche so reizvoll wäre. Das erinnert mich an die berühmte Sage vom „Fliegenden Holländer“, der verflucht ist, ewig zu leben. Das also kann es nicht sein. Und doch gibt es dieses Gott–Partikel, das uns wie Gott werden lässt (und das in einem Sinne, der Gott jauchzen lässt vor Freude!), das uns unsterblich werden lässt in der wundervollsten Weise. Das Gedicht von Willam Shakespeare singt davon:

Nichts löst die Bande, die die Liebe bindet.
Sie wäre keine, könnte hin sie schwinden,
weil, was sie liebt, ihr einmal doch entschwindet;
und wäre sie nicht Grund, sich selbst zu gründen.
Sie steht und leuchtet wie der hohe Turm,
der Schiffer lenkt und leitet durch die Wetter,
der Schirmende, und ungebeugt vom Sturm,
der immer wartend unbedankte Retter.
Lieb‘ ist nicht Spott der Zeit, sei auch die Lippe,
die küssen konnte, Lieblichkeit dahin;
nicht endet sie durch jene Todeshippe.
Sie währt und wartet auf den Anbeginn.
Ist Wahrheit nicht, was hier durch mich wird kund,
dann schrieb ich nie, schwur Liebe nie ein Mund.
(W. Shakespeare: Sonett 116; übers. von Karl Kraus [1933])

Genau das habe ich heute wieder erlebt, als ich einen Freund, der allen Menschen ganz viel Liebe geschenkt hatte, beerdigt habe. Die Menschen haben ihm durch ihre Liebe und Freundschaft gedankt und ihn lebendig erhalten über den Tod hinaus. Selbst wenn auch wir einmal nicht mehr sind, wird seine Liebe weiterwirken – und nicht nur seine! Das ist die Fülle des Lebens bei Gott!