Pfarrgemeinde St. Ludger Selm

ermutigend – Impuls 28.10.2021

Ich möchte wieder sehen können!

Die Geschichte vom blinden Bettler Bartimäus ist nicht nur eine bekannte, sondern auch eine sehr beeindruckende Erzählung aus dem Markusevangelium. Mit welcher Kraft Bartimäus hier auf sich aufmerksam macht!
Viele Menschen in solchen Situationen haben längst aufgegeben, sie finden sich mit ihrem Schicksal ab ohne Hoffnung. Nicht so Bartimäus! Und das, so finde ich, ist das eigentlich Faszinierende an dieser Geschichte: Bartimäus gibt nicht auf. Er hat etwas von Jesus gehört, den man den Messias nennt. Wenn ihm die Menschen schon nicht helfen können oder wollen, dann vielleicht – nein hoffentlich – dieser Jesus aus Nazareth! Und so ruft er, brüllt er förmlich mit letzter Kraft: „Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!“ Auch als die Leute ihn ärgerlich und vielleicht auch peinlich berührt abweisen und abdrängen wollen, gibt er nicht auf. Immer und immer wieder ruft er. Bis Jesus ihn hört.
Und Jesus verhält sich ebenfalls eigenartig. In vielen Erzählungen hören wir, dass er zu dem Kranken, Armen, Blinden etc. hingeht und ihm hilft. Hier nicht. Er sagt zu den Menschen, die ihn umgeben, zu denen, die Bartimäus gerade noch am liebsten übersehen hätten und ihn wegdrängten, zu denen sagt er: „Ruft ihn her!“ Auch sie muss er heilen, denn sie haben zwar Augen im Kopf, sehen aber trotzdem nichts. Deshalb sollen sie ihn rufen, sie sollen Bartimäus zu Christus führen.
Doch auch dann heilt er ihn nicht sofort. Zuerst einmal sieht er ihn an und fragt ihn: „Was willst Du, dass ich Dir tun soll?“ In diesem An-sehen, in dieser Zuwendung schenkt er ihm schon die Kraft zur Heilung aus seiner Einsamkeit und Ausgeschlossenheit. Die körperliche Heilung ist eigentlich nur noch ein Nebeneffekt.
Doch was bedeutet diese Geschichte für uns? Ich denke zweierlei: Zum einen können wir von Bartimäus lernen, dass wir uns nicht verschließen dürfen, dass wir nicht blind werden dürfen gegenüber dem Leben und den Menschen, die uns Liebe und Freundschaft schenken. Immer wieder schenkt uns Gott durch seine Liebe Freude am Leben, wenn auch die Zeichen manchmal klein sind.

Zum anderen können auch wir in die Rolle der Jünger treten. Wir sind keine Wunderheiler, wir können auch nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Aber wir können diese Welt verändern, indem wir aufmerksam werden, sehend werden, auf die Menschen, die einsam ohne Liebe und Freundschaft leben müssen. Wir können ihnen zu dem An-sehen verhelfen, das ihnen Kraft und Mut gibt, das sie aufrichtet. Wir können sogar die Sonne in ihrem Leben sein, die sie auftauen und aufblühen lässt.
Was es uns kostet? Oft nur ein Lächeln, ein freundliches Wort, etwas Zeit.