Pfarrgemeinde St. Ludger Selm

ermutigend – Impuls 16.06.20

We shall overcome

In den vergangenen Tagen hörten und sahen wir viel von den Protesten gegen Rassismus, die um die ganze Welt gingen, wenn sie auch von dem Präsidenten des Landes, von dem sie ausgingen, nicht gehört zu werden scheinen. Die Proteste erinnerten mich an die große Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts und einem kleinen Lied der Hoffnung gegen alle Hoffnungslosigkeit, einem kleinen Lied des Glaubens gegen all die widerwärtige Unmenschlichkeit, einem schwachen kleinen Lied gegen alle Gewalt, das bald zu mächtigen Hymne aller Menschen guten Willens wurde:„We shall overcome!“

Ich lernte dieses Lied kennen und lieben, als ich mit 12 Jahren in einem Ferienlager war und wir es fast jeden Abend am Lagerfeuer gesungen haben. Für mich ist dieses kleine Lied zu einem der stärksten Lieder meines Glaubens geworden, zu einem Lied, das ich auch dann noch singen kann und singe, wenn ich sonst gar nichts mehr kann.

In meiner Arbeit als Polizeiseelsorger höre ich von dem heldenhaften Einsatz der Polizeikräfte, die oft bis an ihre Grenzen gehen. Das stimmt. Aber sie sind nicht die einzigen, die das tun. Gerade in der Corona – Krise sind ganz viele Menschen bis an ihre Grenzen gegangen – und darüber hinaus. Auch ich komme in meinem Beruf immer wieder an meine Grenzen – ganz besonders dann, wenn ich junge Menschen, Jugendliche, beerdigen und ihre Eltern begleiten und trösten muss. Dann bleibt auch mir die Luft weg, dann möchte ich nur noch schreien und weinen, dann möchte ich nur noch weglaufen, aber ich kann es nicht, weil einer dableiben und mit aushalten muss. Doch da kann ich keine Aufer-stehungslieder mehr singen, kein Credo mehr beten, weil mich die Fragen nach dem Warum und das bodenlose Leid zerreißen. Dann kann ich nur noch eins: das kleine Lied „We shall overcome“ singen gegen alle Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Einmal ging auch das nicht mehr. Mitten im Lied brach meine Stimme. Da sang es dann plötzlich die gesamte Trauergemeinde als gewaltige Hymne gegen die Hoffnungslosigkeit.