Pfarrgemeinde St. Ludger Selm

ermutigend – Impuls 07.09.2020

Die Kraft der Hoffnung

Es war im Winter 1946/47 im damaligen kriegszerstörten Deutschland: Es war eisig kalt, viele Häuser waren zerstört, viele Menschen irrten heimatlos umher. Neben der meteorologischen Kälte war es aber auch das menschliche Klima, das den Menschen zu schaffen machte: die ganze Welt zeigte mit Fingern auf das deutsche Volk, in dessen Namen so furchtbare Verbrechen begangen worden waren. Für das Ausland waren alle Deutschen Verbrecher. Die Menschen waren hungrig, froren wie die Schneider und waren verzweifelt. Sie waren von aller Welt verachtet.

Ein Mensch jedoch war der festen Überzeugung, dass nicht alle Deutschen Verbrecher seien, sondern in der Mehrheit liebenswerte Menschen, und er wollte diesen Menschen helfen. Nun war er kein Millionär, der große Hilfsaktionen hätte initiieren können. Aber er wusste, dass etwas anderes den Menschen hier helfen würde – etwas, das wichtiger war als Geld. Seine große Gabe war das Violinenspiel. Er war einer der berühmtesten Violinisten der Welt. So kam er in das kriegszerstörte Deutschland, in dem kaum noch ein Konzertsaal heil war, und gab etliche Benefizkonzerte. Er hat dafür ganz viel Kritik und Ärger ertragen müssen, aber er blieb bei seiner Überzeugung. Dabei hätte er allen Grund gehabt, uns Deutsche zu hassen: Er war ein amerikanischer Jude, der seine ganze europäische Verwandtschaft durch den Holocaust verloren hatte. Dennoch ist er gekommen und hat den Menschen etwas unglaublich Wichtiges gegeben, das mehr wert war als Häuser, Nahrung und Geld: er gab ihnen Hoffnung. Der Name dieses Mannes war Yehudi Menuhin. Er hat durch seine Konzerte meinen Eltern Hoffnung und Kraft gegeben, neu anzufangen. Das werde ich ihm nie vergessen.