Pfarrgemeinde St. Ludger Selm

ermutigend – Impuls 04.04.20

Beppo, der Straßenkehrer,
oder die Kunst des langen Atems

In seinem Buch „Momo“ stellt uns Michael Ende neben vielen anderen Figuren Beppo, den Straßenkehrer, vor, der eine lange, lange Straße mit einem Besen kehren soll. Die Straße ist so ellenlang, dass jeder verzweifeln würde, der die Aufgabe hat, sie sauber zu halten und zu kehren – vor allem, wenn man nur einen Besen hat. Nur Beppo nicht. Er achtet nämlich gar nicht auf die Länge der Straße, für ihn zählt nur der nächste Schritt, der nächste Besenstrich.

An ihn fühlte ich mich erinnert, als ich vor etlichen Jahren mit einer Gruppe aus meiner damaligen Gemeinde unterwegs war nach Santiago de Compostela. Wir sind bei weitem nicht alle Strecken zu Fuß gegangen, denn wir hatten nur 10 Tage Zeit. Aber durch die kastilische Hochebene, die Meseta, sind wir zu Fuß gegangen. Der Weg ist sehr einfach beschrieben: einfach stumpf geradeaus, auf mehr oder weniger plattem Land. Egal wohin man schaute, es sah alles gleich aus – ohne Anfang und Ende, wie auf dem Foto. Spätestens nach zwei Stunden Marsch durch die staubige Hitze kam bei mir die Frage auf, die ich in jedem Ferienlager von quengelnden Kindern gehört habe: „Wie lange noch? Ich kann nicht mehr. Kannst Du mich tragen?“ Nur dass natürlich keiner da war, der mich hätte tragen können. Wo war denn nur das verflixte Dorf, wo der Bus uns wieder in Empfang nehmen sollte? Weit und breit war nichts zu sehen außer das, was man auf dem Foto sieht. Ich begann langsam zu verzweifeln.

Da erinnerte ich mich an die Geschichte von Beppo: Ich schaute nur noch bis zum nächsten Wegstein, dann zum nächsten und so weiter – und eh ich mich versah, waren wir im Dorf angelangt, das in der Meseta nicht auf einem Hügel oder Berg sondern in einer Senke lag und deswegen nicht von weitem gesehen werden konnte.

Wäre das nicht auch ein Weg für uns alle, die Zeit der Kontaktsperre zu überstehen? Von Tag zu Tag denken und leben?